Wenn die Erdkröten in die Heimat ziehen
An lauen, feuchten Tagen krabbeln sie zu Hunderschaften in die Tümpel
Bei den Erdkröten ist Welt noch in Ordnung.
Sie leben das Jahr über sittsam im Wald in altem, modrigem Holz,
mapfen nachts Würmer, Schnecken und Käfer. Auf drei Männchen
kommt ein Weibchen, das allerdings ihren Lover Huckepack zum
"Liebesspiel" trägt. Und heimatverbunden sind die
glitschigen Tiere. Jedes Jahr im frühen Frühjahr zieht es sie
in ihren Geburtstümpel zurück.
Und genau hier liegt das Problem, das jedes Jahr Hunderte das
Leben kostet. Weil die Erdkrötenweibchen ihre Kerle schleppen
müssen, sind sie sehr langsam. Vor allem, wenn sie auf ihrem
Nachhauseweg über eine Straße watscheln müssen.
Die Straßenverkehrsbehörde nimmt bei der Planung keine
Rücksicht auf die Wanderwege der Erdkröten. Das war beim Ausbau
der Straße von Niederasphe nach Oberasphe nicht anders. Und je
schneller die Autofahrer die Strecke entlangrasen könne, desto
mehr Erdkröten blieben auf der Strecke.
Dabei sind es nur wenige Tage, an denen Rücksicht geboten ist.
Dann wenn es draußen beginnt warm zu werden, ab etwa fünf Grad
und zudem noch feucht ist, setzen sich die Kröten in Bewegung,
und das nur zwischen Einbruch der Dunkelheit und etwa ein Uhr
nachts. Die Kröten bei Niederasphe haben dann einen Marsch von
rund zwei Kilometern vor sich.
Die Ortsgruppe des Naturschutzbundes Niederasphe unternimmt in
jedem Jahr eine Krötenrettungsaktion. Sie ziehen in jedem Jahr
einen etwa 30 Zentimeter hohen Zaun, der verhindert, daß die
Tiere es buis auf die Straße schaffen. In Abständen sind Eimer
in die Erde am Zaun gelassen. Dort plumpsen die Kröten hinein,
und werden dann von den Naturschützern sicher über die Straße
getragen.
Daß passiert nicht nur zwischen Nieder- und Oberasphe, sondern
überall dort, wo die Straßen die Krötenwege kreuzen.
Zusätzlich bitten Schilder die Autofahrer um Langsamkeit. In
Niederasphe konnte auf diese Weise die Mortalitätsrate um 90
Prozent gesenkt werden.
Im vergangen Jahr trugen die Naturschützer 1426 Kröten über
die Straße. Etwa 100 überlebten die Wanderung nicht. "So
genau können wir die Überreste nicht zählen", berichtet
Johannes Erichlandwehr, Vorsitzender der Niederaspher
NABU-Gruppe.
Und auch der Amönauer NABU-Chef hat beeindruckende Zahlen
vorzuweisen : 1258 Kröten rettete er zusammen mit seinen
Mitarbeitern im letzten Jahr auf der Straße zwischen Mellnau und
Simtshausen. Beider Ortsgruppen setzen für die Zukunft auf ein
Umerziehung der Tier. Und zwar indem sie sichere Laichgewässer
diesseits der Straße anlegen.
Allerdings zieht der Instinkt die Tier sie nun einmal zu den
Heimatgewässern, sicherheitstechnischen Argumenten verschließen
sie sich nur sehr widerwillig. Das bedeutet, daß die Erdkröten
noch für einige Jahre auf den Schutz des Menschen vor den
Autofahren angewiesen sind.
[Von Christine Kohlstädt, Marburg extra Nr.11 vom 17. März 1999]